Wachstumsprognose für Russland nach oben revidiert © APA - Austria Presse Agentur

Auch 20 Jahre nach Beginn der EU-Osterweiterung setzen die mittel- und osteuropäischen EU-Länder ihren wirtschaftlichen Aufholprozess fort. "Für die meisten Länder in der Region ist dieses Jahr viel besser als letztes Jahr", fasste der stellvertretende wiiw-Direktor Richard Grieveson am Mittwoch die Frühjahrsprognose des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche zusammen. Auch die Wachstumsprognose für Russland wurde nach oben revidiert.

Für 2024 prognostiziert das wiiw den EU-Mitgliedern der Region ein Wachstum von durchschnittlich 2,5 Prozent, das 2025 auf 3 Prozent anziehen soll. Die südosteuropäischen EU-Mitglieder Rumänien (3,0 Prozent) und Kroatien (2,9 Prozent) dürften 2024 besonders stark wachsen, meinen die wiiw-Ökonomen. Dort stützen nicht zuletzt Mittelzuflüsse aus dem Corona-Wiederaufbaufonds NextGeneration EU die Konjunktur. Die sechs Staaten am Westbalkan sollen demnach im Schnitt um 3 Prozent wachsen, die Türkei um 3,4 Prozent.

Die Visegrád-Länder Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn werden heuer um durchschnittlich 2,4 Prozent expandieren und 2025 um 3 Prozent, während die Eurozone heuer beinahe stagniert. "Angesichts steigender Reallöhne, vor allem aufgrund einer stark rückläufigen Inflation, ist der private Konsum die Hauptstütze des Wachstums", sagt wiiw-Ökonomin Olga Pindyuk, Hauptautorin der Frühjahrsprognose.

Die leichte Erholung der kriegsgeplagten Ukraine soll sich heuer mit 3,2 Prozent BIP-Wachstum fortsetzen, allerdings von einem sehr niedrigen Niveau ausgehend. "Die Wirtschaft der Ukraine ist 2022 um fast ein Drittel eingebrochen", erklärte Pindyuk. Produktionskapazitäten seien zerstört worden und es gebe auch weniger Arbeitskräfte.

Die schwierige militärische Situation und die Verzögerungen bei der weiteren Finanz- und Militärhilfe durch den Westen dämpfen die Wirtschaftsentwicklung der Ukraine, heißt es in der wiiw-Frühjahrsprognose. "Letztlich steht und fällt alles mit ausreichender und rechtzeitiger Militär- und Finanzhilfe durch den Westen", so Pindyuk. "Allein 2024 klafft in der Ukraine eine Finanzierungslücke von 40 Milliarden US-Dollar (37,6 Mrd. Euro)."

Die Wirtschaftsleistung der besetzten Gebiete in der Ukraine werde weder in der ukrainischen noch in der russischen Statistik gezählt - nur die Krim sei offiziell Teil der russischen Statistik, sagte der Russland-Experte des wiiw, Vasily Astrov.

Seine Prognose für den mit westlichen Sanktionen belegten Angreifer Russland hat das wiiw deutlich nach oben revidiert. Zwar dürfte sich das Wachstum der russischen Kriegswirtschaft von 3,6 Prozent auf heuer 2,8 Prozent etwas abschwächen und 2025 weiter nachlassen, doch gegenüber seiner Winterprognose hat das wiiw seine Wachstumserwartungen für Russland für 2024 um 1,3 Prozentpunkte angehoben. "Fachkräftemangel und Kriegskeynesianismus ließen die Reallöhne im vergangenen Jahr um fast 8 Prozent steigen, was den privaten Konsum um 6,5 Prozent anziehen ließ", erklärt Astrov. "Diese Entwicklung könnte noch einige Zeit so weiter gehen. Die hohen Zinsen dürften den Wirtschaftsboom und damit die Inflation aber einbremsen."

Der Ausblick für den russischen Staatshaushalt fällt trotz hoher Militärausgaben und gesunkener Einnahmen aus dem Export fossiler Energieträger im letzten Jahr durchwegs positiv aus. "Putin wird das Geld für den Krieg nicht ausgehen", meint Astrov. Die Sanktionen seien in einigen Bereichen spürbar, aber "sie bringen nicht den Effekt, den man sich erhofft hat". Ein Hauptgrund für das Wachstum der russischen Wirtschaft sei die nun viel expansivere Fiskalpolitik und höhere Budgetdefizite. "Die sind verkraftbar, aber das ist etwas Neues in der jüngeren Geschichte Russlands." Hauptmotor des russischen Wirtschaftswachstums seien die Rüstungsausgaben, die Schätzungen zufolge im vergangenen Jahr für 40 Prozent des BIP-Wachstums verantwortlich gewesen seien. Das wirke sich indirekt auch auf andere Branchen positiv aus.

Die Ukraine hingegen ist zu einem großen Teil von ausländischen Finanzhilfen abhängig, die laut Pindyuk die Hälfte der Staatsausgaben decken. Der Rüstungssektor wächst, ist aber auch relativ gesehen kleiner als der russische.